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Foundation of Malibu
von Helmut Englisch
Der taufeuchte Morgennebel hing wie eine Dunstglocke in der Luft. Die Lungen der Stadt atmeten noch die morgendliche Ruhe eines Tages, der sich jedoch mächtig anstrengte, immer hektischer zu werden.
Die Passanten, die wie richtungslose Marionetten die Straße belebten, waren noch zu müde, um diesen Zustand bewusst wahrzunehmen aber doch schon zu wach, um im Halbschlaf alle Veränderungen zu ignorieren. Der Tag drängte sich ohne Gnade auf. Man hatte das Gefühl, dass man keine Wahl hatte, zwischen Gut und Böse, zwischen Liebe und Hass, zwischen Anfang und Ende. Es gab kein wenn und es gab kein aber. Die aufgehende Sonne warf bizarre Schatten zwischen die grau und düster wirkenden Häuserreihen. Das Feld war bestellt. Nur war niemandem bewusst, dass es tatsächlich so weit war. Es war einer dieser Tage, an denen man spürte, dass etwas in der Luft lag; an denen man es verfluchte, überhaupt das Bett verlassen zu haben. Die Ungewissheit nagte an den noch unschuldig wirkenden Gedanken. Die Situation war nicht bereit, im Ruder zu laufen.
Mr. Präsident, ich nenne Bob so, weil er von allen so genannt wurde, stand an der Ecke Busch-
Mr. Präsident beobachtete die Straße aufmerksam. Jedes Gesicht, das an ihm vorüber zog, musterte er neugierig. Als Billi vor im stand, nahm er einen Zettel, den er am untersten Ende des Stapels platziert hatte und reichte ihm das Blatt. Die Mimik der beiden wirkte eher steif und sie verbargen geschickt, dass sie einander bereits kannten. „Vielen Dank, Mister" murmelte Billi und ging, ohne sich weiter um das Umfeld zu kümmern, die Straße hinunter.
Als wenig später Julia vor Bob stehen blieb, fiel es ihm schon etwas schwerer, den Unbeteiligten zu spielen. Für einen kurzen Moment, als sich ihre Blicke kreuzten, dachte er, sein Herz würde stehen bleiben. Er blickte in ihre freundlichen, aufgeregten Augen und ein flüchtiges und verstohlenes Lächeln huschte über seine Lippen um dann gleich wieder der gespielten Gleichgültigkeit zu weichen. Seine Finger tasteten an das untere Ende des Stapels und reichten Julia, wie zuvor Billi auch, einen Zettel, der ohne, dass man es hätte näher prüfen müssen, wie die übrigen Flugblätter aussah. Julia wäre am liebsten in die Luft gesprungen, hätte ihn in die Arme genommen und freudig begrüßt. Nach so langer Zeit fiel es ihr schwer, die Unbeteiligte zu spielen. Aber auch sie dachte an Disziplin, an nicht auffallen und verließ, leise „danke" flüsternd den Standplatz und ein Dritter, der die Situation aufmerksam beobachtet hätte, hätte nie einen Zusammenhang zwischen Julia, Bill und Mr. Präsident herstellen können. Und so sollte es bleiben!
Sammy, der Jüngste aus der Truppe, ging zunächst wie uninteressiert und gelangweilt an Bobs Standort vorbei. Er war kein guter Schauspieler und die Situation war ihm unangenehm. Warum, dieser Aufwand?, dachte er. Warum diese Geheimnistuerei? Es gab doch niemanden, der sich für sie interessierte. Aber er wusste, dass Disziplin wichtig war, dass Bob alles im Griff hatte und dass er die Verantwortung für sie trug. Wenig später stand er ihm gegenüber. Wie versteinert stand er da und musterte Bob von oben bis unten. Er hatte sich nicht verändert. Sein charismatischer Ausdruck schien jedoch noch ausgeprägter zu sein. Und ohne dass man es wollte, hatte man das Gefühl, es mit einem guten Menschen zu tun zu haben. „Darf ich Ihnen einen Bericht über die Foundation of Malibu überreichen?", fragte Bob und hielt ihm einen dieser ominösen Zettel hin, die er für seine Freunde gefertigt hatte. Sammy nahm das Blatt und wusste vor Verlegenheit nicht einmal, was er weiter tun sollte. Wie sollte er sich unauffällig verhalten, wenn er Bob gegenüber stand. Bob war sein Freund. Die Situation schien aus dem Ruder zu laufen. Deshalb entschloss er sich dazu, sich einfach abrupt von Bob abzuwenden und weiter zu gehen. Ohne ihn noch eines Blickes zu würdigen schlenderte er die Straße hinunter. Es tat ihm weh, sich so verhalten zu müssen. Aber er sah ein, dass ihre Sicherheit Vorrang hatte.
Bob hatte seine Arbeit erledigt. Er stand wieder regungslos am Straßenrand, hielt die Flugblätter in seinen Händen und beobachtete aus den Augenwinkeln heraus die Umgebung. Niemand war den anderen gefolgt, das konnte er mit Sicherheit sagen. Er konnte die Straße nach oben und nach unten einsehen. Kein Passant ist ihm entgangen. Seinen eigenen Standort hatte er vorsichtshalber so ausgesucht, dass die Videokamera, die oben an der letzten Häuserreihe angebracht war, ihn nicht erfassen konnte. Wegen der angeblich vielen Überfälle waren die Verantwortlichen nämlich dazu übergegangen, die Straßen permanent per Video zu überwachen. Wobei jedoch jedem klar war, dass sie die Überfälle nur vorgeschoben haben und man einfach die totale Überwachung durch das System anstrebte.
Bob blickte den Dreien noch lange hinterher. Er war sich sicher, dass dieser Tag doch noch unter einem guten Stern stehen würde. Sie hatten sich wiedergefunden, obwohl sie sich eigentlich nie richtig verloren hatten. Er warf den Rest seiner Flugblätter in den Papierkorb und schlenderte zufrieden die Buschstreet hinunter.