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Parvenu -
Kokon in vier Wänden
Die Einsamkeit, ist schon eine seltsame Pflanze, die sich offensichtlich beständig wie Unkraut ausbreitet und selbst das rigorose Ausreissen der Wurzeln kann nicht verhindern, dass sie das Leben überwuchert und ihre Umgebung beständig und konsequent in Besitz nimmt. Das kahl und trostlos wirkende Zimmer, in dem Parvenu die meiste Zeit verbrachte, das war so ein Ort. Die Monotonie beherrschte den Tag. Dieses klettenartige Gewächs, das sich anscheinend bevorzugt an trostlosen Orten einnistete, überwucherte sein ganzes Leben. Es hatte sich einfach unbemerkt eingeschlichen. Und obwohl es ihm die Luft zum atmen nahm und seine schlingenartigen Saugnäpfe seinen Lebensnerv umklammerten, wurden sie zum Bestandteil seines Seins, das sich wohl oder übel zähneknirschend mit der Beständigkeit dieses Zustandes abgefunden hatte.
So kam es, dass Parvenu in einer Stille erstarrte und einerseits vom Leben nichts mehr erwartete andererseits aber darauf hoffte, dass etwas unerwartetes einträfe, das ihn aus dieser Situation befreie. Er klopfte sich also den Staub von den Füßen, zog die Falten seiner Gedanken glatt und wartete gespannt darauf, was der Tag ihm neues zu bieten hatte. Einzig und allein diese Neugier war es, die ihm das Leben noch lebenswert erscheinen ließ.
Er spürte förmlich, dass ein noch verschlafen wirkender Morgen vorwitzig durch die vom Schmutz verschleierten Fenster blickte. „Nur keine unliebsamen Überraschungen" dachte er. Aber der Morgen war ein unbeschriebenes Blatt, das in der unschuldigen Geburt eines Paukenschlages dem Erwachen bedingungslos entgegen fieberte.
Parvenu war fasziniert und misstrauisch zugleich. Aber das Maß hatte längst den Deckel auf die Fülle gelegt und er zügelte vorsichtshalber seine Erwartungen um nicht zu tief in den Keller der Enttäuschungen zu fallen.
Zu abrupt schien ihm dieser Übergang aus Halbschlaf und Erwachen in die plötzliche Fülle des Seins. Und er war sich immer noch nicht sicher, ob er sich bedingungslos und ohne Schaden zu nehmen, der Fülle dieser Eindrücke hingeben sollte oder, ob er sich nicht sinnvoller sei, sich lieber die Decke über den Kopf zu ziehen, die Augen zu schließen, um seiner seelischen Unbedarftheit doch noch eine Chance einzuräumen.
Andererseits, die Entscheidung war längst gefallen. Auf jeden Fall war es ihm nicht mehr möglich, das Geschehene rückgängig zu machen und sich aus eigener Kraft, diesem Schauspiel dieses erwachenden Trubels zu entziehen. Und so saugte er förmlich die Partikel morgendlicher Lust in sich ein, als gelte es Vorräte für spätere Tage anzulegen und er ließ sich anstecken von diesem Überschwang an Gefühlen, die in ungeahnter Fülle auf ihn einströmten und darauf warteten, in ihm ihre Wirkung auszuleben.
Es war daher nicht verwunderlich, dass sein Herz im wild aufgeregten Takt pochte, weil die Fülle das Maß übertraf und die Sinne sich am Wunsch orientierten und die Fesseln eines einsamen Lebens versuchten, den faden Geschmack der Enge abzustreifen, um sich einmal voll und ganz und unvoreingenommen dem sinnverzaubernden Augenblick hinzugeben. Und wenn ihn nicht, in einem schwachem Moment, die Realität zurückgeholt hätte, so schwebte er immer noch in den Sphären der Gutgläubigkeit und blickte verzaubert und sinnverloren in einen Horizont, der sich aufgemacht hatte, seine Anfälligkeit für die zauberhaften Spiele euphorischer Melancholie auszunutzen.
So aber, gewann das Sein an Boden, das Glück wurde auf sein Budget zurückgestutzt und Parvenu trat, gezwungenermassen, auf die Bremse und ruderte, wenn auch nur zögerlich, zurück.